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Am Nullpunkt der Malerei Michael Stoeber Serie Trash Comics Früher hießen seine Bildserien „True Comics“ oder „Short Cuts“, heute heißen sie „Trash Comics“. Der Künstler recycelt seine Titel ebenso wie seine Werke. Was heißt, dass hinter den neuen wie den alten Titeln ähnliche Inhalte stehen und dass sie sich oft auch auf ein und derselben Leinwand entfalten. In diesem Sinne sind Jan Eeckhouts Gemälde wahrhaft Palimpseste. Sie speichern das alte Malgeschehen, das - wenn auch von neuen Farben und Formen überdeckt - immer noch da ist und mit seinem Geist Temperament und Charakter der neuen Bilder mitbestimmt. Dass die alten Bilder auf diese Weise nie ganz ausgelöscht werden bezeugt auch die fortlaufende Nummerierung der Werke, in der kein Bild, das der Künstler je gemalt hat, wirklich für immer verloren geht. Mit der Werkreihe der Trash Comics zitiert Eeckhout ein Genre, das an sich schon durch seine weltweite, massenhafte Verbreitung Respekt – oder je nach Temperament, Mentalität und Charakter des Betrachters – Furcht einflössend ist. Der Titel des Künstlers dürfte dabei nicht weniger ironisch intoniert sein als der von Tarantinos Kultfilm „Pulp Fichtion“, der zwar auch den Begriff des Schunds (Pulp) zitiert, aber alles weniger als das ist und ganz im Gegenteil höchste Kunst. So auch die Trash-, also Müll-Comics, des Künstlers. Die prinzipiell auch ohne Comicbilder auskommen - dem Künstler geht es hier in erster Linie um das spezifisch narrative des Comics, seine sequentielle Erzählweise. Auch die Bezeichnung Trash scheint hier eher als eine Art programmatische Haltung zu verstehen zu sein - oder wie der Künstler sagt: „Bilder die von vornherein als Trash deklariert sind, befreien den Autor von allen inhaltlichen, ästhetischen und sonstigen Anprüchen an sich selbst. Übrig bleibt der Vorgang des Malens, die malerischen Mittel“. Diese ganz am Selbstzweck des Malens orientierte Haltung Eeckhouts bezieht nicht nur konsequent Stellung gegen die Fetischisierung des Einzelbildes durch den Markt oder die Kunstgeschichte, sie bezeugt auch konsequent, wovon die Bilder des Künstlers künden. Von den Möglichkeiten der Kunst dem Chaos von disparater Gleichzeitigkeit Struktur und Ordnung zu verleihen. In unpathetischer und gänzlich unprätentiöser Weise kreist der Maler um einen Nullpunkt der Malerei, der diese in historischer Perspektive ebenso sehr in Frage stellt, wie sie in persönlicher Hinsicht von existenzieller Bedeutung für ihn bleibt. Beim Blick auf die jungen Menschen in Eeckhouts Trash Comics, die oft von der schönen Warenwelt unserer kapitalistischen Gesellschaft umgeben sind, liegt der Gedanke nahe, der Künstler wolle mit seinen Werken in subtiler Weise Kritik an unserem Konsumverhalten üben. Vielleicht auch das. Eher aber zielen Eeckhouts Bilder auf eine, in überzeitlicher Weise gültige condition humaine des Menschen. Hilfreich für diese Perspektive ist die überraschende Aussage des Künstlers, bei der Fertigung der Gemälde gelegendlich von dem Gedanken an barocke Stillleben geleitet zu werden. Für ihn seien die Porträts seiner jungen Protagonisten, ein wenig so „wie Schnittblumen“ in niederländischen Barockstillleben. Eine ebenso stimmige wie ungewöhnliche Metapher. Schnittblumen sind Blumen, die am Meisten leuchten und am Wenigsten dauern. Sie sind schnell verblüht. Und im Grunde geht es so auch mit den Menschen. Im Angesicht der Ewigkeit währt ihr Leben nur einen Augenblick. Kaum begonnen, ist es schon wieder vorbei. Schaut man auf das zeichenhafte Inventar, das sich in den Trash Comics versammelt, bringt es für sich allein schon diese Ambivalenz zum Ausdruck. Da sind ebenso schöne wie schreckliche Dinge versammelt. Die in sich selbst auch schon wieder ambivalent sind. Da gibt es Waffen, die den Menschen töten, aber ihn vielleicht auch schützen. Konsumartikel, die ihn erfreuen, aber möglicherweise auch verblöden. Wir sehen Ikonen der Kunst- und Comicgeschichte. Munch und Picasso, Mickey Mouse und Entenhausen, das Erhabene und das Triviale. Natürlich gehören auch sie zum Menschen, nicht anders als Mode, Geld, Technik, Religion und anderes mehr. Den daraus resultierenden Bilderkosmos versammelt Eeckhout in seinen Gemälden in einem disparaten Neben- und Miteinander, als Bildmontagen die die heterogene Wirklichkeiten miteinander verbinden, die Gesetze linearer und logischer Plausibilität aufkündigen und jeden eindeutigen Sinn sprengen. Nur, dass der Künstler das Chaos der Bilder, das er zelebriert, eben auch bannt. Lasierende und alla prima Malerei, monochrom flächige und vielfarbig illusionistische Darstellung, Comic und Hochkunst, Zitat und Original, Gegenwart und Vergangenheit verbinden sich in seinen Gemälden in harmonischer Weise. Eeckhout strukturiert und komponiert. Seine Montagen sind von exquisiter Raffinesse. Anspielungen und Echos, Kontraste und Spiegelungen bestimmen sie. Aber die Konfusion, in die der Künstler den Betrachter stürzt, ist indes nur scheinbar, denn stets gelingt es Jan Eeckhout die mannigfaltigen disparaten inhaltlichen und formalen Bezüge seiner Bilder in eine wohl geordnete, harmonisch ausbalancierte Choreographie zu transformieren. Damit sind diese Werke nicht nur Teil der Moderne, sie sind auch nicht bis ins Letzte auflösbar. Und eine immer neue Herausforderung für den Geist und die Fantasie des Betrachters. Zu all dem haben diese Bilder auch diagnostische Kraft. Wie ein Seismograph zeigen sie unsere Wirklichkeit. Wenn der Künstler in ihnen in scheinbar disparater Weise unterschiedliche Zeiten und Orte, Dinge und Protagonisten, Malsprachen und Stile vereint, wenn er in einem Gemälde ganz viele Bilder zeigt, dann sind seine Werke durchaus auch als Ausdruck eines zu Grunde liegenden Realismus zu verstehen.