 Jan Eeckhout 2024

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Trash Comics und Dialoge Prof. Dr. Christine Morgenroht zur zur Eröffnung der Ausstellung im workshop hannover e.v. Der Titel dieser Ausstellung, unter dem sich die vielen Bilder in diesem schönen Ausstellungsraum versammeln, verdient für sich genommen einige Beachtung. Trash übersetzt zumeist als Müll, oder Abfall, kann aber auch bedeuten Gewesenes, Vergangenes, Weggeworfenes, aber auch Ramsch, Kolportage und Quatsch . Das wird verbunden mit Comic die gegenwärtig vielleicht trivialste, aber auch populärste und oft ironisch treffsichere Form der Bildgestaltung und dem Dialog. Bei diesem handelt es sich um eine anspruchsvolle Form des zumeist verbalen Austauschs zwischen zwei Menschen, als Wechselgespräch oder auch Zwiegespräch als abwechselnd geführte Rede, die die Bereitschaft auch zum Zuhören voraussetzt. Es sei erinnert an den sokratischen Dialog, also die philosophische Kunst der Hervorbringung von Erkenntnis im Gespräch mit einem anderen. Allein der Ausstellungstitel bringt also eigentlich Unvereinbares in einen Zusammenhang. Müll und Philosophie, Bild und Begegnung, Malerei und Ramsch. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein so hochrangiger Künstler wie Jan Eeckhout seine Werke als Trash (also: Müll) bezeichnet. Jedoch: auch Weggeworfenes kann, in neuem Zusammenhang präsentiert zusammengestellt, etwas überraschend Neues ergeben. Diese bereits im Titel in den Blick genommene Verbindung von Unvereinbarem lässt rasch an die künstlerische Technik der Collage denken, in der Fragmente und Materialien aus der Realität, Wortfetzen ausgerissen aus Zeitungen gemeinsam auf einen Untergrund montiert und in bestimmter Weise angeordnet werden, die einen oft verstörenden neuen Eindruck und Sinn ergibt. Was sehen wir hier in diesen Bildwerken? Ganz offensichtlich ist es keine Montage unterschiedlicher Materialien durchgängig handelt es sich um Malerei auf Leinwand, auf exzellentem Niveau. Und dennoch wird hier Unvereinbares miteinander in Verbindung gebracht oder besser: nebeneinander gestellt. Was also sind hier die unvereinbaren Elemente, die aufeinandertreffen und was bewirken sie miteinander, in diesem Dialog? Es sind Bildzitate aus unterschiedlichsten Epochen bzw. Stilen, die in Interaktion treten miteinander, die aber auch Zitate aus anderen Genres aufnehmen, z:B. Filmelemente enthalten oder auf Werbung zurückgreifen. Wir sehen daher eine Kombination verschiedener Stile. Vorzüglich präsentiert, erweisen sie schnell ihren Charakter als Zitat. Teilweise innerhalb einer einzelnen Bildtafel, die auf Stoß gehängt, also unmittelbar kombiniert ist mit einer zweiten (Diptychon) oder auch dritten (Triptychon) Bildtafel, wobei die Bilder gemeinsam wieder ein Ganzes ergeben. Somit entsprechen diese Gemälde als Neuschaffungen in gewisser Weise auch der Bilderflut, der wir täglich und fortwährend ausgesetzt sind als Bewohner der Spät-Post-oder wie die gegenwärtige Moderne gerade genannt werden will. Diese Bilderfluten gehen über uns hinweg, sie fließen in uns hinein und durch uns hindurch, ungefragt können wir sie wiedererkennen und abrufen, sie senden ihre Botschaften, die oftmals jenseits der Bewusstseinsschwelle in uns aufgehen. In diesen oft großformatigen Bildern treffen Porträts zumeist junger und schöner Menschen, auf nicht gegenständliche, abstrakte Malerei, die an die seinerzeit so genannten jungen Wilden erinnert, und sodann auf zum Teil aberwitzige Zusammenstellungen von Comic- Elementen, mit Textfragmenten, die zum Teil nonsense sind, oft aber auch eine steile Kulturkritik enthalten. Schöne Farben vs. Hässliche Farben, eine Tafel mit leeren Quadraten zum ankreuzen. Kommentar: its so easy. Man könnte sich schütteln vor Lachen, wenn es nicht so real wäre in der alltäglichen Wahrnehmung so (oder so ähnlich) in aller Banalität präsent. Zum Beispiel das Tryptychon (Tafel 19) Ein junger Mann mittig, sehr ernst, anständig geschnittenes Haar, ein tiefer, ernster Blick, er sieht die Zuschauerin direkt an. Er wirkt nicht versonnen, sondern nachdenklich, melancholisch, der Ausdruck seiner Augen: verloren und traurig. Der Hintergrund monochrom weiß, kein Accessoire außer dem Rand eines schlichten T-Shirts gibt Hinweise auf Herkunft oder Situation. Und rechts von ihm eine wilde Farborgie in abstraktem Stil, kühle Farben in blau, grau,grün und abgemattetes Magentarot, aufgetragen mit schnellem Pinselstrich und erkennbaren Farberhebungen. Darüber gelegt ein orange- braunes Netz, Linien die sich zu Quadraten formen. Links daneben der originale Trash Comic, skizziert ein wohl mittelaltes Paar, die beiden schauen mit verzücktem Lächeln auf den Schriftzug. „The Bank wants to help YOU „ Der reguläre Comic erscheint hochkant gestellt, die Lüge , die nicht nur Hilfe verspricht durch die Bank, sondern auch „extra money“ oder „great prizes - das trifft einen wahren Kern. Im Comic findet sich die Kombination von Wort und Bild, eine Erzählung in einer extremen Reduktion und daher besonders treffsicher. „The Bank wants to help you“ schlimmer kann Realität nicht missverstanden werden, das ist purer Trumpismus. Ein unverschämter Sexist und größenwahnsinniger Lügner wird in Kürze Präsident der USA sein. Dennoch: gibt es etwa Verbindendes in diesen drei Bildern? Auf den ersten Blick: nichts. Doch dann: alle drei sind Gemälde auf Leinwand, keineswegs „echte“ Collagen. Erst nach und nach stellen sich winzige Verbindungen her, zunächst in der Farbgebung, der Orange-braune Ton der Linien taucht in den Lichtreflexen der Haare wieder auf, der rosa Ton der Farborgie sehr viel matter in einigen Abschnitten der Haut sowie der trockenen wie aufgesprungenen Lippen und ebenso, wieder kräftiger, als Hintergrund der Bank im Comic. Der graublau unterlegte Schriftzug im Comic ist wieder aufgenommen in der Farbe der Iris und erscheint klarer und deutlicher, fast dominant in der Farbexplosion des rechten Bildes.Ein Porträt, eine Comic-Gesellschaftssatire und ein abstrakter Farbrausch, zusammengehalten bzw. verbunden, bei aller Gegensätzlichkeit, durch zarteste farbliche Nuancen. Gibt es eine Botschaft, wird eine Geschichte erzählt, kommentieren sich die Tafeln dieses Triptychons gegenseitig? Die Betrachter*innen sind aufgerufen, sich diese Frage selbst zu stellen und nach Antworten zu suchen. Die drei Tafeln stehen in einem stillen Dialog zueinander. Die Gesellschafts-Satire wird von dem Jungen Mann durchschaut, den falschen Versprechen und Albernheiten sitzt er wohl nicht auf, aber das macht ihn nicht glücklich, es gibt ihm nicht das, was die neokapitalistischen Glücksversprechen anbieten. Der Zugang zum Wilden, Gefühlsbetonten, vielleicht dem Unbewussten, erscheint ihm versperrt, vielleicht ahnt er etwas, er kann es nicht erschließen. Die verblödete Warenwelt hat ihn zu einer Hülle seiner selbst werden lassen, unlebendig und in sich selbst gefangen in einem endlosen Egozentrismus, der Soziales nicht mehr leben kann und gleichzeitig die kreativen Kräfte unter Verschluss hält. Soweit meine Deutungsvariante. Ein weiteres Trash-Dialog Kunstwerk, haben Sie vielleicht bereits beim Hereinkommen gesehen (Tafel 5) hier großformatig als vermeintliches Polyptichon, das die Entdeckerfreude besonders stark anregt und eine visuelle Vielfalt der Zitate vereint. Was ist zu sehen? Zunächst einmal sieht es aus wie eine Montage aus vier Bildtafeln (es sind jedoch nur zwei.) Die rechte bietet einen neorealistischen Halbakt einer jungen sehr wohlgestalteten Frau, im Hintergrund ein Bett, sie offenbar noch etwas verschlafen mit erhobenem Arm, , fast als müsse sie sich vor etwas schützen, vielleicht vor dem grellen Tageslicht. Sie wirkt wie noch nicht ganz in der Welt angekommen. An ihrer Seite, hochformatig, eine wundervoll fein gestaltete rote Glasvase mit einer Spiegelung, die ein Fenster zeigt, das Ausblick auf Gebäude vermittelt. Aus der Vase wachsen zwei Stile voll erblühter Tigerlilien, deren Weiß und Rotlila Blütenblätter umgeben von zartem Grün eine enorme Vitalität, fast erotische Kraft und Verführung vermitteln, man scheint ihren schweren Duft fast körperlich wahrzunehmen und findet sich „mitten im Leben“ – ganz im Kontrast zu der verschlafenen jungen Dame. Zu ihrer Linken finden sich zwei kleine abstrakte Bilder, eines in schwarz-weiß im Stil von PopArt, darüber die bereits bekannte farbige Wildheit hier in dunklen Blau und Lila-Tönen, die durch ein kubisches Gitter in hellerem Blau strukturiert werden. Links schließt sich die zweite Tafel an, in deren Zentrum ein Stilleben mit Spatzen und Burger zu sehen ist. Die wohlgenährten Vögel in feiner Zeichnung haben offenkundig die Absicht, sich an dem dem riesigen Burger gütlich zu tun. Dieses postmoderne Monstrum, das kein normal gebauter Mensch mit Anstand verzehren könnte, schon gar nicht aus einer Pappschale, hat etwas Einschüchternes, Disproportionales. Das alles spielt sich vor einem Hintergrund ab, der seriell durch schräge Streifen und Punkte gerastert bzw. gestaltet ist, wie wir das z.B. von Roy Liechtenstein kennen. Abgeschlossen wird dieses Diptychon von zwei Bildern, gleich großen Quadraten. Oben drei mit schnellem Pinselstrich gestaltete grauen Steine, die eine ruhige Gleichförmigkeit vermitteln. Und darunter, wieder dem Prinzip starker Kontraste folgend, ein konstruktivistisches Bild in lebhafter Farbigkeit, Halbkreise und Rundungen nehmen das rundliche Steinformat vielleicht auf, definieren es aber neu durch starke Rhythmisierung in kräftigem Blau und Rosa-Rot, sowie weißen und schwarzen Elementen. Wie wird daraus ein ganzes (und in sich konsistentes) Kunstwerk? Ich denke, indem Form und Farbe diskret oder offensichtlich korrespondieren. Die vertikale Gestaltung in der rechten Tafel, das Quadratisch-Runde in der linken. Farblich gibt es ebensolche Resonanzenin Kontrasten von Hell und Dunkel, bestimmter Farbigkeit hier ziehen sich Rottöne (Vase, Blüten, Haut, Brustwarzen, Burgerfüllung, serielle Wanddekoration und muntere Halbkreise) - alles in Rot, das den verbindenden roten Faden darstellt. Serielles gegen feinste Einzelgestaltung, Abstrakt gegen Figurativ ergänzen einander, gehen in Resonanz zueinander, kommentieren sich. Vielleicht empfindet die junge Frau einen Ekel vor dem riesigen Burger und schaut daher etwas verstört. Der brutale Lebenswille der Spatzen lässt sich jedoch gerade davon betören. Sie werden sich über das Burger-Monstrum hermachen. Die abstrakten Bildelemente stellen Ruhepole dar, obgleich sie doch von unruhiger Bewegtheit sind, erzählen sie doch keine beunruhigende Geschichte. Es sei an dieser Stelle noch einmal betont: es handelt sich um meine Sichtweise, assoziativen Verknüpfungen und Deutungsmöglichkeiten. Sie werden gewiss eine ganz andere, eben spezifisch Ihre Geschichte darin finden. Diese Bilder erzählen ihre Geschichten und stellen ihre Herausforderung an die Betrachter über die Jahre auch immer wieder neu, sie werden nicht schnell auserzählt sein. Ich darf das aus Erfahrung sagen. Walter Benjamin hat in den späten 20er Jahren des letzten Jahrhunderts darüber nachgedacht, was mit der Kunst durch ihre technische Reproduzierbarkeit geschieht. Er kam, hier sehr verkürzt zusammengefasst, zu dem Schluss, dass mit der Reproduzierbarkeit die einzigartige Aura des einzigartigen, singulären Kunstwerks verloren geht, und zwar nicht allein durch die massenhafte Reproduktion auf Papier, sondern auch das singuläre einzigartige Kunstwerk selbst verliert seine Aura, wird gleichsam zerstört. In diesen Bildern geschieht etwas völlig Anderes: durch die Zitate, die Zusammenfügung von Unvereinbarem, durch den Dialog zwischen einander fremden Stimmen und Positionen, entsteht durch das gemeinsame Medium, die Malerei, etwas vollkommen Neues. Diese sorgfältige Komposition von hohem ästhetischem Reiz,gewinnt ein Eigenleben. Der Dialog zwischen Nicht-Zusammengehörigem, einander Fremdem, stellt eine neue Qualität her, schafft eine eigene Wirklichkeit, zwingt die Betrachter in einen fremden, neuen Erfahrungsraum der Betrachtung. Und je länger ich auf diese Bilder schaue, desto mehr kann ich entdecken. Ordne einzelne Zitate zu, verstehe ihren verborgenen Humor, ihre ätzende Gesellschaftskritik oder ihre Freude an Ausdruck und Schönheit. Schlussendlich hat diese künstlerische Produktionsform ein neues, völlig eigenständiges Kunstwerk geschaffen. Die gebildeten und wortreichen Kunstkritiker*innen werden ihre Freude daran haben, die Zitate zu entschlüsseln und Zuordnungen vorzunehmen, die Ästhet*innen werden sich an der Farbenpracht erfreuen oder an der gelungenen Rhythmisierung, den herausfordernden Kontrastierungen, die Tüftler*innen werden das eine Zitat auf das andere beziehen und sie sich wechselseitig kommentieren lassen - was zu immer neuen Bedeutungsvarianten führt. Zahllose Herausforderungen, die eines gemeinsam haben: sie geben dem Kunstwerk (s)eine Aura zurück. Gestatten Sie mir einige Gedanken über die Chancen des Dialogs angesichts selbst extremer Unterschiedlichkeit. Durchaus könnten wir uns jetzt über verschiedene Ansätze der ästhetischen Theorien Gedanken machen, ob also Kunst, um authentisch zu sein, funktionslos zu sein habe (wie Adorno es ausdrückt), und erst dadurch das Widerständige, Nichtidentische zum Ausdruck bringt, oder ob mit Walter Benjamin durch den fortschreitenden Verfall des Auratischen, mit dem die Kunst in den Dienst einer materialistischen Entmythologisierung eintreten kann und unmittelbar eine Funktion im Emanzipationskampf der Gesellschaft übernimmt. Darüber lässt sich viel sagen und auch trefflich streiten. Mir geht es an dieser Stelle erneut um die Bedeutung des Dialogs. Was uns diese B i l d e r von Jan Eeckhout auch zu sagen haben, ist doch Folgendes: Angesichts einer fortschreitenden Spaltung der (westlichen) Gesellschaften, vor der die demokratischen Institutionen nicht schützen können, angesichts von Fragmentierung und Orientierungslosigkeit in allen Lebensbereichen, angesichts von wachsender Akzeptanz von Lügen und Behauptungen anstelle von Argumenten, können wir, wenn wir mit dieser besonderen Bildsprache in den Dialog treten (oder uns dialogisch mit anderen Betrachter*innen darüber austauschen) erleben, dass es möglich ist, auch Schwieriges zu verstehen, ein Verständnis für etwas zunächst Fremdes zu entwickeln, durch Zuhören und Argumentieren Annäherungen und Verständnis hervorbringen. Die Aufforderung zum Dialog, die bereits im Titel steckt, hat eine „utopische“ Dimension. Sie unterstellt nämlich, dass Dialog möglich ist und zu Erneuerung, zu Überwindung von Stereotypen und Grenzen im Denken führen kann. Grenzüberschreitendes Denken, das ist es, was wir heute unter Utopie verstehen müssen. Zerlegen können die westlichen Gesellschaften sich offenkundig selbst; im Dialog mit Vergangenem (und sei es Trash) kann aber mit ästhetischen Mitteln etwas Neues entstehen, nicht gänzlich aus eigener Kraft, aber mit Hilfe des Dialogs. Den ist Jan Eeckhout mit den Zitaten aus vergangenen Epochen eingegangen. Mit diesen bemerkenswerten Ergebnissen. Lassen Sie sich bitte darauf ein, es lohnt sich. Christine Morgenroth