 Jan Eeckhout 2024

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Das ist doch nur Gepinsel Dr. Rainer Grimm zur Serie Trash Comics Zunächst kurz etwas zur Biographie des Künstlers. Jan Eeckhout hat in Braunschweig an der HBK Malerei studiert – dass er dabei auch eine solide Ausbildung in den künstlerischen Techniken gelernt hat, das sieht man seinen Bildern an. Es ist ja in der Tat so, dass nur der, der sich mit diesem Teilbereich der Kunst intensiv auseinandergesetzt hat, auch in der Lage ist, seine Ideen so zu verwirklichen, dass auch andere daran teilhaben können. Jan Eeckhout malt seine Bilder mit äußerster Präzision. Sie entstehen eigentlich immer schichtweise. Zunächst gibt es eine Untermalung mit Tempera – dabei wird der jeweilige Grundton etwa der Figuren usw. festgelegt. Anschließend geht er mehrfach mit Ölfarben darüber. Dabei kann die Farbe sowohl lasierend – also durchscheinend – als auch pastos verwendet werden. Schaut man sich die Bilder genauer an, dann kann man das gut feststellen. Die Ausstellung trägt den Titel: ‚Trash – Comics‘, und tatsächlich hat Jan Eeckhout auf seinen Bildern viele Comicmotive versammelt. Ich sage hier bewusst ‚Comicmotive‘ und nicht Comics. Denn – da gibt es doch eine Reihe von Unterschieden. Und dann nennt er seine Arbeiten nicht nur ‚Comics‘ sondern auch noch ‚Trash Comics‘ – nun ‚trash‘ ist ja eigentlich ‚Müll‘ – aber warum bezeichnet er seine eigenen Arbeiten als ‚Müll‘? In meinem Wörterbuch stehen nun aber noch andere Möglichkeiten für dieses Wort. Es kann auch für ‚Unsinn‘, ‚Blech‘, aber auch ‚Kitsch‘ stehen. Und ich denke, dass es dieser weite Bedeutungsumfang ist, den Jan Eeckhout hier im Blick hat. So weit wie dieser Bedeutungsumfang des Wortes ‚Trash‘ sind seine Bilder gefasst. Da tauchen alle die Helden und Sehnsüchte auf, die einen Teil des Traumlebens von uns Menschen umfassen. Und dabei malt der Künstler streng genommen gar keine wirklichen Menschen und Dinge – er malt eigentlich nur die Bilder, die bereits irgendwo abgedruckt , also vervielfältigt waren. Es geht also in seinen Arbeiten genau genommen nicht um die ‚Welt an sich‘ sondern um die bereits etwa durch Comics vermittelte Welt. Dabei benutzt er neben den Motiven auch ein weiteres Stilmerkmal des Comics. Seine Bilder stehen auf den ersten Blick zwar einzeln für sich – tatsächlich sind sie aber vielfach so zusammengefügt, dass sie eine Geschichte erzählen. Eine solche Serie ist hier ausgestellt. Es handelt sich um vier quadratische Bilder, die so zusammengefügt sind, dass sie sich aufeinander beziehen. Im linken oberen Bild sieht man einen extrem angeschnittenen Kopf mit Stahlhelm in schwarz-weiß. Über ihm eine leere Sprechblase und visualisierte Geräusche mit VIIP und BWEE. Da bewegt sich also einiges im Hintergrund. Man scheint förmlich die Geräusche von pfeifenden Kugeln zu hören. Im Bild rechts daneben steht dagegen ein farbig gemalter junger Mann mit gestreiftem T-Shirt und Sonnenbrille. Bei ihm besteht der blau gehaltene Hintergrund aus einem schwarzen Raster und einer darüber gelegten wilden roten Linie. Er schaut nach schräg links unten auf ein Bild mit einem Humphrey Bogart Typen. Dieses Bild befindet sich also unter dem mit dem Soldaten. Dieser ist ebenfalls in schwarz-weiß gemalt. Eine sternartig ausgeschnittene Blase rechts neben ihm zeigt ein Dreirad in Magenta in einer Art Erker, durch das man wieder ins Blau schaut. Darunter steht in Kinderschrift ‚hero‘. Schließlich sind im letzten Bild unten rechts ein Porsche, eine Armbanduhr und eine Kamera abgebildet – alles auf diesem Bild ist mit Magenta gemalt. Vor diesen drei Objekten steht in einem hellen Grünton auf zwei Zeilen verteilt: MELANCHOLIE. Alle vier Bilder sind auf unterschiedliche Art und Weise miteinander verbunden. Soldat und der Bogart Typ sind in unterschiedlichen Grauwerten gemalt, das Magenta taucht bei dem jungen Mann, dem Roller und vollständig dann im vierten Bild auf. Es gibt also bei dieser Serie sogenannte ‚Helden‘ – sie sind auf den beiden Bildern auf der linken Seite angeordnet, und – wie es sich für wirkliche Helden gehört – sind sie nur in schwarz-weiß wiedergegeben. Die Träume auf der rechten Seite dagegen sind farbig gemalt – der junge Mann oben weiß offensichtlich nicht recht, was er eigentlich soll. Man sieht das deutlich an der wilden Linie, die sich um ihn schlängelt. Soll er in den Krieg, soll er als Privatdetektiv reüssieren oder genügt es, wenn er sich materielle Träume wie Auto, Uhr und Kamera erfüllt. Dabei werden die materiellen Träume unten teilweise durch Schlieren und das in Komplementärfarbe gemalte Wort MELANCHOLIE überdeckt. Also – so ganz leicht ist das mit der Zukunft nicht für junge Männer. In diesen vier Bildern werden Träume, Vorstellungen, Wünsche und Ängste gezeigt. Aber es ist nicht die Realität, die hier abgebildet wird. Es handelt sich hier nicht um einen echten Soldaten – sondern es ist der vielleicht in einem Comic abgebildete Soldat. Auch Auto, Uhr und Kamera sind nicht ‚echt‘. Bei allem, was auf diesen Bildern zu sehen ist, handelt es sich nur um vermittelte Träume, Vorstellungen, Wünsche usw. Sie werden uns durch die vielfältigen Medien übermittelt. Anders als früher besteht unsere Welt heute vor allem aus den Bildern, die wir jeden Tag sehen. Das ist sicher ganz anders als es früher war. Die ‚Unmittelbarkeit‘, die früher das Leben der Menschen bestimmte, ist zu einem großen Teil verloren gegangen. Goethe konnte noch sagen: Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen. Das ist vorbei. Wir sind heute durch Fotos, durch Reportagen, durch das Fernsehen, durch Computerbilder usw. immer nur vermittelt dabei. Wir können nichts tun. Der Krieg in der Ukraine belastet uns – aber wir können ihn ‚abschalten‘. Diese Distanz, die wir gegenüber den meisten Ereignissen in der Welt haben, diese Distanz wird von Jan Eeckhout in seinen Bildern thematisiert. Ich gehe noch auf ein anderes Bild von ihm ein, bei dem er diese Wunderwelt, die unser Leben ausmacht, sichtbar macht. Aber bei diesem Bild kommt für mich noch etwas dazu, was schon bei der ersten Viererserie auftauchte, hier aber noch besser sichtbar wird. Ich meine das Bild, bei dem im oberen Bereich das große Wort ‚LOVE‘ steht. Auf den ersten Blick sieht man eine junge Frau in einem einfarbigen Kleid. Sie wird von einer ganz schmalen weißen und dann von einer hellblauen, relativ breiten Umrisslinie umfasst. Das sieht so aus, als ob sie irgendwie, vielleicht später in das Bild eingefügt wurde. Ihr leicht schräg gehaltener Kopf ist oben angeschnitten. Da auch die Beine knapp unterhalb des Kleides verschwinden, sieht es so aus, als ob sie in das Format des Bildes eingezwängt ist. Oben steht das Wort LOVE – der Kopf spaltet das Wort aber gewissermaßen zwischen O und V, und da er wie die Schrift leicht schräg gehalten ist, sieht er nun im Zusammenhang mit den Buchstaben wie ein zweites ‚O‘ aus…. als müsste man das Wort gewissermaßen ‚LOOVE‘ aussprechen. Unter diesem ‚LOOVE‘ steht auf der linken Seite AND und darunter dann EMOTION. Also ‚Love and Emotion‘. Dazu dann auf der rechten Bildseite: TRUE STORY und darunter auf Deutsch untereinander weiß auf schwarzem Grund geschrieben: ‚und kehre nicht auf halben Wege um‘. In die Beuge zwischen Oberkörper und Hüfte ist nun noch ein schwarz-weißes Bild eingequetscht. Hier handelt es sich um ein richtiges Comiczitat. Ein Mann beugt sich über eine junge Frau. In der Sprechblase über seinem Kopf steht: ‚DAS IST DOCH NUR GEPINSEL, KEINE KUNST, BABE‘ Sie antwortet darauf in einer anderen Sprechblase. ‚OH PETE‘ Besonders bemerkenswert ist für mich nun noch der Hintergrund, vor dem sich die junge Frau, das Comicbild und die Schrift befinden. Magentafarbe in unterschiedlicher Helligkeit scheint darauf von oben nach unten zu verlaufen. Es gibt dabei schmalere und breitere Schlieren, unregelmäßig gehaltene Flächen, an denen man sehen kann, wie die Farbe verdünnt wurde, schmalere Linien, die teilweise auf die im Vordergrund befindliche Frau bezogen sind, an anderen Stellen dagegen hinter dem Körper verschwinden. insgesamt handelt es sich also bei der Gestaltung des Hintergrunds um eine freie gestische Malerei. Diese Kombination von äußerster Präzision etwa in der Wiedergabe der Figuren auf der einen Seite und der freien, rein abstrakten, gestischen Malerei auf der anderen Seite, das ist das, was die Kunst von Jan Eeckhout auszeichnet. Er weist mit den Worten des Mannes in dem Comiczitat ja auch noch genau darauf hin – ‚DAS IST DOCH NUR GEPINSEL, KEINE KUNST BABE‘ sagt er. Dass die junge Frau nur ‚OH PETE‘ sagen kann, zeigt, dass sie sich noch ganz im Comic befindet, während er gewissermaßen aus dem Bild heraustritt und sich offensichtlich auf die Art der Malerei bezieht. Als der erste, der ein rein abstraktes Bild gemalt haben soll, wird im Allgemeinen Wassili Kandinsky genannt – nach seinen Angaben hat er es 1910 geschaffen (nach neueren Untersuchungen soll er das Bild später gemalt aber zurückdatiert haben) Das ist in jedem Fall mehr als 100 Jahre her – und seitdem hat es eine große Zahl von Künstlern gegeben, die sich an der Abstraktion abgearbeitet haben. Hier haben wir mit Jan Eeckhout nun einen Künstler, der ganz anders mit diesem Problem umgeht. Wie man an dem Hintergrund gut sehen kann, ist er ein richtiger abstrakter Maler, ein Maler, der genau das macht, was die Künstler nach dem zweiten Weltkrieg machen sollten. Ein ‚realistisches Abbilden‘ war in dieser Zeit verpönt. Man musste damals ‚abstrakt‘ malen. Dann kam in den sechziger / siebziger Jahren die Popart. Man könnte nun versucht sein, ihn mit seinen Comicbildern dort einzugemeinden – aber da greift man meiner Meinung nach zu kurz. Ich glaube, dass Jan Eeckhout die Comics nur teilweise wählt, weil sie populär, also ‚POP‘ sind. Meiner Meinung nach verweist er mit seiner Malerei genau auf das, was Kunst in vielen Fällen heute ausmacht. Es sind Bilder über Bilder. Und um das berühmte Wort von Gertrude Stein etwas abzuwandeln: Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild....